Die Tagespflege gehört zweifelsohne zu den wachstumsstärksten Bereichen der Pflege. In Deutschland gibt es aktuell etwa 4.500 Tagespflege-Anbieter, und 376 von ihnen sind erst seit Juli 2017 auf dem Markt. Damit stellt dieses Segment ein Drittel aller Pflege-Neugründungen. Zusammen stellen die Anbieter rund 62.000 Tagespflege-Plätze in ganz Deutschland bereit. Diese Plätze sind jedoch zwischen den Bundesländern sehr ungleich verteilt. Auch innerhalb desselben Bundeslands gibt es von Stadt zu Stadt teils erhebliche Unterschiede.
Süddeutschland mit Versorgungspotential in der Tagespflege
Die Verteilung der Tagespflegeplätze über alle Bundesländer hinweg zeigt, dass Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Bayern eine deutlich niedrigere Versorgungsquote aufweisen als der Durchschnitt. In Relation zur Bevölkerung stehen im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen nur 68 Plätze je 10.000 Einwohner ab 75 Jahre zur Verfügung. Der bundesweite Durchschnitt liegt bei 83 Plätzen. Noch größere Abweichungen wurden in den Bundesländern Rheinland-Pfalz (65 Plätze) und Hessen (62 Plätze) ermittelt.
Bei den Flächenländern liegt das unteren Ende der Skala – und damit das größte Steigerungspotential für neue Tagespflegen – in Bayern: Hier kommen auf 10.000 Einwohner ab 75 Jahren nur 59 Tagespflegeplätze.
Neue Bundesländer mit überdurchschnittlicher Versorgung
Ein ganz anderes Bild zeigt sich beim Blick in den Osten der Republik. Der Anteil der Bevölkerung ab 75 Jahre liegt in den neuen Bundesländern mit 10,2 Prozent ohnehin deutlich über dem in den alten Bundesländern (9,2 Prozent). In dieser relativ größeren Bevölkerungsgruppe weisen die neuen Bundesländer aber zusätzlich noch einmal eine deutlich überdurchschnittliche Versorgungsquote auf. Während der Bundesschnitt für Tagespflegeplätze pro 10.000 Bewohner ab 75 Jahren bei 83 Plätzen liegt, haben alle östlichen Bundesländer zusammen im Mittel mehr als 100 Plätze.
Besonders auffällig ist Mecklenburg-Vorpommern: Hier kommen sage und schreibe 204 Tagespflegeplätze auf je 10.000 Einwohner ab 75 Jahre. Diese Spitze ist erstaunlich, denn mit Heimpflegeplätzen ist das Bundesland „nur“ durchschnittlich versorgt. Nominal wohnen in Mecklenburg-Vorpommern 156.610 Senioren ab 75 Jahren. Zeitgleich weist Mecklenburg-Vorpommern mit 69 Einwohnern je km² die geringste Bevölkerungsdichte der Bundesrepublik auf.
Auch Branchenburg zeigt sich mit 152 Tagespflegeplätzen je 10.000 Bewohner über 75 als besonders gut versorgtes Bundesland, gefolgt von Sachsen-Anhalt (118) und Sachsen (110).
Eine auffallend niedrige Versorgungsquote gibt es in Metropol- und Ballungsgebieten. Dies dürfte auch an hohen Mieten und fehlenden Immobilien liegen: In Bundesländern mit hohen Mietspiegeln sind Immobilien durch Tagespflegen oftmals nicht refinanzierbar und somit für Betreiber wenig attraktiv. Besonders deutlich wird dies bei Stadtstaaten wie Berlin und Hamburg, welche beide eine unterdurchschnittliche Versorgung aufweisen. Wenngleich Berlin (8% Einwohner ab 75 Jahre) sowie Hamburg (9%) zu den Bundesländern mit dem geringsten Seniorenanteil zählen, weisen die beiden Städte mit 62 beziehungsweise 56 Tagespflegeplätze pro 10.000 Bewohner ab 75 Jahre mit die schlechtesten Werte im Ranking der Bundesländer auf.
Vergleich der größten Städte: Braunschweig mit größtem Potenzial für weitere Tagespflegeeinrichtungen
Auch innerhalb desselben Bundeslands fällt die Verteilung der Tagespflegeplätze zum Teil höchst unterschiedlich aus. In Relation zur Bevölkerung stehen etwa in Brauschweig, der mit rund 250.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt Niedersachsens, sehr wenige Tagespflegeplätze zur Verfügung: Die dortigen Tagespflegeeinrichtungen verfügen über nur 19 Plätze je 10.000 betagten und hochbetagten Einwohnern. Damit zählt Braunschweig zu den zehn Großstädten mit der geringsten Versorgung an Tagespflegeplätzen. Das ebenfalls in Niedersachsen gelegene Osnabrück dagegen verfügt über fünfmal mehr Tagespflegeplätze je 10.000 Bewohner ab 75 Jahren – steht also am oberen Ende der Skala auf der Liste der zehn bestversorgten Großstädte. Nominal beherbergt Brauchschweig über 25.000 Senioren ab 75 Jahre. Eine ähnliche Beobachtung gilt für die nur 20 Kilometer entfernt voneinander liegenden Städte Herne (100 Plätze) Essen (26 Plätze). Anders ausgedrückt: Für Anbieter von Tagespflegeplätzen bieten Braunschweig und Essen ein enormes Potenzial.
Die höchste Dichte an Tagespflegeplätzen konnte übrigens in Cottbus ermittelt werden. Die Stadt in der Lausitz stellt 174 Tagespflegeplätze zur Verfügung. Dies entspricht einem Verhältnis von 153 Plätzen je 10.000 Einwohner ab 75 Jahre.
Normalverteilung anderer Pflegeangebote
Die starke Ungleichverteilung der Tagespflegeangebote fällt umso mehr auf, wenn man etwa die Verteilung von Pflegeheimplätzen in Betracht zieht. Zwar herrschen auch bei Pflegeheimen erkennbare Schwankungen im Ländervergleich. Diese sind jedoch deutlich schwächer ausgeprägt. Und diese Unterschiede der stationären Versorgung stehen auch nicht im Zusammenhang mit den Unterschieden in den Versorgungsstrukturen von Tagespflegeeinrichtungen.
Welche anderen Gründe für die unterschiedliche Verteilung kann es also geben? Mietpreise und Kaufkraft können einen Teil der Unterschiede erklären, vor allem in Metropolregionen wie Hamburg, Berlin oder München. Ein weiteres Kriterium könnte sein, dass wir mit der Tagespflege und dem stationären Bereich zwei Segmente des Pflegemarktes zeigen, die stark reglementiert und gut sichtbar sind. Weniger sichtbare Angebote wie selbst organisierte Seniorenwohngemeinschaften oder privat angestellte Haushalts- und Pflegehilfskräfte mögen ebenfalls Einfluss auf die Verteilung der Pflegeangebote haben. Solche Faktoren können aber die starken Unterschiede im Tagespflege-Angebot zwischen Städten wie Braunschweig (Mietspiegel: 8,75 €/qm) und Osnabrück (Mietspiegel: 8,62 €/qm) oder zwischen Essen (einzelhandelsrelevante Kaufkraft: 6.886 €) und Herne (einzelhandelsrelevante Kaufkraft: 5.819 €) nicht hinreichend erklären. Die naheliegendste Vermutung ist also, dass einige Städte mit Tagespflegeplätzen schlicht unterversorgt sind.
Fazit
Die Analyse zeigt, dass die Versorgung an Tagespflegeplätzen in Deutschland gravierende Unterschiede in der Angebotsdichte aufweist. In den neuen Bundesländern scheint der Bedarf, ähnlich wie in den Metropolen Berlin und Hamburg bereits gedeckt. Potenzial für Betreiber von Tagespflegeeinrichtungen zeigen dagegen vor allem die südlichen Bundesländer sowie einige Großstädte wie etwa Essen oder Braunschweig.
Bundesland | Einwohner | Einwohner ab 75 | Anteil | Plätze TP | Plätze TP / 10.000 EW ab 75 |
Mecklenburg-Vorpommern | 1.609.980 | 156.610 | 10% | 3.197 | 204 |
Brandenburg | 2.455.760 | 237.000 | 10% | 3.597 | 152 |
Sachsen-Anhalt | 2.287.050 | 245.680 | 11% | 2.903 | 118 |
Sachsen | 4.056.810 | 459.170 | 11% | 5.065 | 110 |
Niedersachsen | 7.777.990 | 732.060 | 9% | 7.817 | 107 |
Thüringen | 2.188.580 | 224.230 | 10% | 2.379 | 106 |
Bremen | 650.850 | 62.580 | 10% | 621 | 99 |
Schleswig-Holstein | 2.800.110 | 258.080 | 9% | 2.274 | 88 |
Baden-Württemberg | 10.486.660 | 931.040 | 9% | 7.728 | 83 |
Saarland | 999.620 | 104.230 | 10% | 780 | 75 |
Nordrhein-Westfalen | 17.538.240 | 1.647.320 | 9% | 11.163 | 68 |
Rheinland-Pfalz | 3.989.800 | 383.860 | 10% | 2.501 | 65 |
Hessen | 5.971.810 | 539.170 | 9% | 3.367 | 62 |
Berlin | 3.292.380 | 257.840 | 8% | 1.586 | 62 |
Bayern | 12.397.600 | 1.091.740 | 9% | 6.393 | 59 |
Hamburg | 1.706.700 | 145.520 | 9% | 814 | 56 |
gesamt | 80.209.940 | 7.476.130 | 9% | 62.185 | 83 |
Update 28.5.2018: Summen-Fehler in Tabelle korrigiert